Ein ganz normaler Flug

Anflug auf die Reither Spitze
Anflug auf die Reither Spitze

Mittwoch, 01. Juli 2015

...und doch erzählenswert. Seit Sisteron in diesem Frühjahr bin ich aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr dazu gekommen, mit der JS1-C zu fliegen. Deshalb war ich ganz angetan vom Wetterbericht für diesen Mittwoch. Es war mäßige bis gute Thermik vorhergesagt im Flachland meist Blauthermik, in den Bergen durch etwa 1/8 Cu gekennzeichnet.

Der Entschluss den Flieger aufzubauen und sich auf den langersehnten Weg zu machen ist also nicht schwer zu fassen. Also ab nach Pömetsried, die Einmannaufrüsthilfe zusammengebaut und den Flieger aufgebaut. Ganz so einfach, wie bei der ASW22 ist das nicht. Die Bolzen wollen einfach nicht reingehen. Gott sei Dank bin ich nicht der einzige Pilot, der den Tag nutzen will. Mit vereinten Kräften ist er bald aufgebaut und steht um 11 Uhr startfertig an der 04.

Als erste wagt sich Hans Sperl mit seiner DG 300 in die Luft, gleich danach startet auch die ASH 25 D-KONI, dann geschieht längere Zeit nichts. Es wird heiß und heißer, die beiden gestarteten Flieger haben alle Mühe überhaupt oben zu bleiben. Dann scheint es besser zu werden, Markus und Norbert starten nacheinander, Norbert mit dem Discus und Markus voller Optimismus mit der vollgetankten 1D (120 Liter).

Ich habe die VV ganz bewusst nicht mit Wasser versorgt, weil ich der sogenannten Omega-Wetterlage unterstellte, dass die Thermik eher mässig als gut sein würde und will deshalb sicher gehen, dass ich jedes noch so schwache Steigen ausnutzen kann. Ich sollte recht behalten. Markus ist nach wenigen Minuten wieder am Boden, die beiden "Frühstarter" quälen sich in den Tegernseer Bergen in "Ameisenkniehöhe" herum und der vor mir gestartete Gastflieger (eine DG 1000) fliegt fleißig Achten unterhalb der Mittagsspitze.

Ich lasse mich also vorsichtshalber über die Mittagsspitze schleppen und finde schwaches Steigen, mehr als 1.800 m kann ich aber nicht rausholen und so beschliesse ich, vorsichtig zum Simetsberg zu fliegen. Dort treffe ich auf einen schwachen Bart, der mich auf 1.900 m bringt.

Weiter zum Krottenkopf, 2.300 m in sehr mäßigem Steigen, mir wird klar, dass nur ein konsequentes Vorwärtsfliegen in die hohen Alpen Erfolg verspricht. Also weiter zur Wettersteinwand, dann zur Reither Spitze am Westende des Karwendels. In 2.600 m mache ich mich auf den Weg nach Osten. Die JS1-C gleitet ausgezeichnet, sie ist etwas leichter und beweglicher als die gewohnte ASW22, aber kein bisschen schlechter. Mit wenigen Kreisen fliege ich entlang der Nordkette. Ein kleiner Plausch mit Innsbruck TWR ermöglicht die Querung von der Bettelwurfspitze hinüber zum Kellerjoch, dort findet sich wieder Steigen, ich verlasse die CTR von Innsbruck und bedanke mich für den Service, dann noch ein Bart querab Aschau im Zillertal und schon geht es hinüber zum Gerlos.

Am Kreuzjoch geht es jetzt schon auf 2.850 Meter, weiter nach Osten. Nur die Steigwerte lassen etwas zu wünschen übrig, mehr als 2 m/s sind wirklich selten. Einige Dutzend Gleitschirme kommen mir entgegen in allen möglichen Höhen, einer fliegt völlig ohne Reaktion genau frontal auf mich zu und zwingt mich zu einem abrupten Ausweichmanöver, die haben ein Gottvertrauen, hätte ich nichts getan, wären wir mutmaßlich beide nicht mehr am Leben. Einige Kreise über dem Wildkogel, der Rest geht ohne Kreis, Ankunft an der Schmittenhöhe in 2.650 m weiter in die Dientener fast ohne Höhenverlust bis zum Eingang ins Gasteiner Tal.

Ein phantastisches Flugzeug, auch ohne Wasserbalast ein Gleitwunder. Östlich von Bad Gastein wende ich den Bug wieder nach Westen und beschließe am Hauptkamm zu bleiben. Jeder Grat dort liefert Steigen, bis zu den Krimmler Wasserfällen bin ich fast durchweg über 3.000 m hoch. Am Gerlos sinkt die Basis etwas ab auf 2.800 m aber die Wolkenoptik voraus ist vielversprechend und so bleibe ich südlich von Innsbruck. Ab der Axamer Lizum steigt die Basis auf über 3.500 m an, jetzt ist es ein Kinderspiel, der direkte Weg ins Engadin über die hohen Ötztaler Berge ist mühelos zu fliegen. Nach der Querung des Reschensees an der Piz Lischana geht es erstmals auf über 4.000 m. Voraus ist allerdings ein riesiger Cumulus Congestus zu beobachten, der offenbar direkt über dem Piz Nuna steht und aus dem es schon heftig regnet.

Der Tag neigt sich aber ohnehin dem Ende zu und so gleite ich, etwas leichtsinnig auf direktem Weg nach Ohlstadt. Die Wolken südlich des Oberinntales verschmähe ich, die schönen Wolken im Norden desgleichen. Ich habe ja fast 1.000 m Reserve. Das sollte später noch zu einigem Bangen führen. Nördlich am Tschirgant vorbei sind schon 400 der 1.000 m verbraucht, mir fällt ein, dass ich ja keine Bugs eingestellt habe, als ich das nachhole bleiben noch knapp 400 m Reserve übrig, aber jetzt zählt der Rechner wenigstens nicht mehr runter, sondern behält die Reserve in etwa.

Nach 6 Stunden und 45 Minuten setzt die JS1-C etwas unsanft auf der 04 von Ohlstadt aus, ich hab schon bessere Landungen hingekriegt Unentschlossen. Nach einer weiteren Stunde ist der Flieger im Hänger, alles wieder an seinem Platz und ein ganz normaler Flug hat sein glückliches Ende gefunden. Wem ist solches Erleben schon gegönnt, außer den Adlern und uns Segelfliegern?

Schön war´s, der Flug findet sich im OLC zum anschauen. Wer das ganze im 3D Format sehen will, dem empfehle ich das Programm IGC Flight Replay zum download dieses phantastischen Freewareprogramms geht´s HIER