Bon Jour, Grenoble

tl_files/images/vv_small.jpgDer Frühjahrsurlaub 2001 in Sisteron in Südfrankreich stand unter keinem guten Stern. Das Wetter war erstmals seit mehr als zehn Jahren nicht mehr so gut wie wir das aus vergangenen Jahren gewohnt waren.

Von 14 möglichen Tagen waren sage und schreibe sieben verregnet. Auch im übrigen Europa schlug das Wetter Kapriolen. In Norddeutschland ereignete sich ein Schneechaos ungekannten Ausmaßes in der bayerischen Heimat blieb es die ganzen 2 Wochen regnerisch und ungemütlich. Die Tiefdruckgebiete befanden sich während der ganzen Zeit viel weiter im Süden, als in früheren Jahren.

Trotzdem wird mir ein Flug unvergesslich bleiben, der nach schwachem Beginn und einem furiosen Mittelteil mit einem versöhnlichen Ende aufwartete, dass den Urlaub nicht zur völligen Pleite werden ließ.

Mittwoch, 14. März 2001:

Das übliche Märzwetter der Provence wollte und wollte sich einfach nicht einstellen. Ständig näherten sich Tiefausläufer von Westen, die nichts Gutes verhießen. "Thalweg" ein Wort das deutschen und französischen Ohren vermittelte, dass es wohl mit Segelfliegen in den nächsten Tagen nichts werden würde, kam in jedem Briefing vor.

Am heutigen Mittwoch ist es laut Wetterbericht klar, dass die Thermik, wenn überhaupt, dann spät und schwach einsetzen wird. VV, mein Flugzeug steht als Nummer 2 am Start. JP, die ASH 25 meiner Vereinskollegen bildet die Spitze und lange Zeit geschieht schlicht nichts, was uns zu einem Start animieren hätte können.

Dann gegen 1200 Uhr rollen die Schleppmaschinen des Aero Club Sisteron an den Start. Le President, Monsieur Christophe Alexandre höchstpersönlich begibt sich zum Start und spricht:

"C´est bon, c´est bon !"

Darauf hin wagen wir es nicht, noch länger zu warten und starten in den noch sehr schwach entwickelten Tag. Tango-Ü eine etwas altersschwache Morane übernimmt den ersten Schlepp mit der ASH25 JP. Keine gute Wahl, wie sich herausstellt. Während ich mich mit der VV schon über dem Trainon in zirka 1600 m zu halten versuche, schleppt die tapfere Tango-Ü weit unter mir immer noch die JP durch die Gegend, mal Richtung Authon, mal wieder zurück Richtung Sisteron, so lange, bis Jürgen die Geduld verliert und einfach ausklinkt.

Ganz vorsichtig schleicht die ASW22 mit knapp 1850m langsam Richtung Authon, dort ist absolute Ruhe in der Luft. Erst am östlichen Ende des Massivs regt sich ein Lüftchen, stark genug um wieder auf 1900m steigen zu können. Weiter zur Crête de Géruen, der Einfachheit halber benennen die Segelflieger diese markante Felswand nach dem nahegelegenen Weiler Auribeau, steigen auf 2000m, na toll, so tief bin ich noch nie weiter geflogen zum Blayeul.

Dort angekommen, wartet die nächste "Überraschung" auf mich, kein Steigen in dem Kar an der Nordostseite, kein Lüftchen auf dem Weg nach Süden. Irgendwo muss es doch hoch gehen. Also Wechsel auf die Ostseite des Blayeul. Kein "Mucks", hin und wieder ein "Sekundenlift", dann wieder kontinuierliches Sinken.

Sisteron ist mittlerweile ganz klar außer Reichweite, die Orientierung gilt dem Segelfluggelände von Seyne. Nur noch knapp 1600m hoch gleitet die ASW22 Richtung Norden. Über dem Grand Puy, der in Wirklichkeit alles andere als grand ist, locken die ersten Kumuluswolken.

Wapp, 4 m/s, 60° Schräglage, 110 km/h, gerettet!

Die Wetteroptik verändert sich schlagartig, über der Aiguillette lassen sich 3 m/s zentrieren und in 2800m steht der Weg offen Richtung Barcelonnette.

Vorbei an der Grand Séolane ruft der Grand Bérard mit herrlichen Quellungen. 6 m/s belohnen die schneidige Talquerung und in 3500m richtet sich der Bug der VV auf zur Tête de Siguret. "Holprige" 3 m/s heben den Segler auf 3700m, die Querung zur Aiguille de Chambeyron ist völlig problemlos.

Im Funk höre ich, wie schwierig es inzwischen wohl ist, den Platzbereich von Sisteron zu verlassen. Kaum ein Flugzeug schafft den Sprung zum Parcours.

Der Bart am Chambeyron ist ruppig und lässt mit Annäherung an die Wolke stark nach. Beim Verlassen der Thermik Richtung Norden falle ich in eine Welle, die mich in absoluter Ruhe mit mehr als 3 m/s auf 4200m anhebt.

Ohne Sauerstoff traue ich mich nicht höher zu steigen. Uwe, der mit seiner DG800 nur wenig später am Chambeyron ankommt, nutzt das laminare Steigen bis auf 4800m aus.

Das Panorama Richtung Norden ist atemberaubend. Auch die niedrigen Berge sind völlig mit Schnee bedeckt und die Ecrins scheinen zum Greifen nahe.
Nach einem kurzen, vergeblichen Versuch, an der Tête du Peyron, zwischen St. Crepin und Briancon wieder Anschluss an die Welle zu finden, höre ich im Funk, dass sich ein ganzer Pulk von Segelflugzeugen auf dem Weg nach Grenoble befindet.

Oft in den letzten 7 Jahren habe ich versucht, Grenoble zu sehen, nie ist es mir gelungen, über das Val Gaudemar hinauszufliegen. Dieses Mal scheint es möglich zu sein. Also nichts wie zurück Richtung Guillaume und dann ab nach Westen.

Der Guillaume liefert, wie immer, zuverlässiges Steigen auf 2700m. Knapp westlich der Tête de Lucy hilft eine schwache Welle auf 3300m und der Vorflug nach Nordwesten ist risikolos gesichert.

Mit eleganten Kurven umfliegt die ASW22 die Wolkentürme über den Bergen entlang der Route Napoléon. Erst am Mont Gargas nehme ich wieder die Hilfe der Thermik in Anspruch.

Der Vorflug Richtung Grenoble ist einfach. Wie immer, wenn ein oft vergeblich angestrebtes Ziel endlich erreicht wird, ist es leichter als gedacht. Vorbei am Valbonnais und le Taillefer endet der Vorstoß nach Norden am Croix de Chamrousse. Grenoble liegt vor mir.

Ein Juwel, eingefasst von der Chaine de Belledonne im Osten, dem Massif de la Chartreuse im Norden und dem Parc du Vercors im Westen, atemberaubend schön. Der langgestreckte Flug zurück nach Sisteron ist erfüllt von Dankbarkeit für dieses Erlebnis, langsam gleitet die Stadt Gap vorbei, Serres und der Roches de Beaumont bilden den Abschluss dieses herrlichen Fluges, der so mühsam begann und sich so wunderbar entwickelte, schließlich zu einem meiner schönsten fliegerischen Erlebnisse wurde.

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Sisteron - Grenoble - Sisteron