5-Länder-Flug aus der Winde!

Schon seit einigen Jahren verfolgen wir Greilinger Streckenflieger mit, zugegeben etwas Neid, eher aber mit Bewunderung, die großen Flüge unserer Geitauer und Königsdorfer Kollegen. Während wir bei den Königsdorfern immer darauf verweisen konnten, dass die ja mit F-Schlepp starten und deshalb oft bis zu 1 1/2 Stunden Vorsprung auf ihren Flügen haben, ist es mit den Geitauern nicht so einfach abzutun, die starten nämlich auch aus der Winde und noch dazu fliegen sie meist mit Flugzeugen, die unseren in puncto Leistung eher unterlegen sind. So startet Hans Fitterer, zweifellos das Vorbild aller Greilinger Streckenflieger in der Regel mit einem Discus CS mit dem Wettbewerbskennzeichen CF zu seinen gewaltigen Strecken.

Woran also liegt es, dass wir nicht genauso weit fliegen wie der Hansi, sind wir wirklich soviel schlechter oder macht er was, was wir noch nicht verstanden haben? Nun, anhand der Flüge des 15. Juni 2006 möchten wir zeigen dass, erstens der Hans Fitterer zwar besser, in manchen Situationen sogar sehr viel besser, aber keineswegs "überirdisch" fliegt und es andererseits aber auch bei uns noch einiges zu verbessern gilt.

Von Greiling aus ist es zu Beginn eines Flugtages in der Regel nicht ganz so leicht, zu einem großen Streckenflug zu starten, wie das in Geitau geht, morgens müssen wir zudem oft neidvoll zuschauen wie die Königsdorfer hoch über unserem Platz im F-Schlepp an die Stellen geschleppt werden, die wir aus der Winde eben nicht erreichen können, zumindest nicht um diese Uhrzeit. Auch die Geitauer haben da einen Zeitvorsprung von ca. einer Stunde, wenngleich das zumindest Richtung Osten nicht so viel bringt, weil ja auch die Berge im Osten noch nicht so gut "gehen", wie zu der Zeit zu der wir dort ankommen.

Umso ehrgeiziger haben wir Greilinger Streckenflieger dieses Ziel, die ersten 800 km aus der Winde in Greiling verfolgt.

Nicht ganz unerwartet - wir waren ja häufig schon nahe dran - hat es dann am 12. Mai 2006 endlich geklappt. Mit Wenden am Schneeberg und am Venetberg verbuchte ich mit meiner ASW22 VV das erste 800er von Greiling aus.

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800 km am 12.05.2006

Die Freude war groß, aber das eigentliche Ziel, nämlich ein FAI-Dreieck war noch nicht erreicht. Deshalb folgten jetzt einige Anläufe in den folgenden Wochen, bis dann der große Tag kam,

Donnerstag der 15. Juni 2006

Ich melde das Dreieck an, das ich schon so oft versucht habe, 1. Wende bei Begunje etwas südlich vom Loiblpass und die 2. Wende bei Bivio am Julierpass.

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Der Abflug gelingt recht gut, wenn auch wieder aus dem Tiefparterre. Nach einiger Bastelei am Vorberg gelingt kurz nach 1/2 12 Uhr endlich der Sprung auf die Südseite des Vorbergs, 10 Minuten später dann endlich um 12:45 Uhr der Abflug Richtung Südosten aus 2300 m. Um diese Zeit hat z.B. Hans Fitterer aus Geitau bereits 106 km geflogen und ist etwa 120 km voraus, er startet am gleichen Tag in Geitau bereits um 10:05 Uhr also etwas mehr als eine Stunde früher! Die VV macht sich wie so oft schon vorher auf einen Weg, der fast deckungsgleich mit dem der anderen Piloten verläuft, die ein Dreieck mit ähnlichen Wendepunkten geplant haben.

Der Sprung über das Inntal zum Wilden Kaiser ist natürlich fast immer leicht mit einem Flugzeug der offenen Klasse, die "Kurzen" müssen da deutlich vorsichtiger vorwärts fliegen, daher kann die ASW 22 hier schon einigen Vorsprung vor ihren "Verfolgern", Bertl und Arne im DuoDiscus und Ernst Hohmann mit seiner D-Masern gewinnen. Hans Fitterer ist mittlerweile in seinem Discus CF bereits an Nötsch vorbei, 130 km voraus.

tl_files/images/2006-06-15-1.jpgEtwa um 13:00 Uhr, Hans Fitterer hat bereits seine erste Wende am Seebergsattel passiert, quert die VV problemlos den Alpenhauptkamm bei Mallnitz und fliegt zielstrebig weiter nach Südosten. Der Flug verläuft bis dahin problemlos und mit McCready 2,5 m geht es immer mit Geschwindigkeiten von 160 - 190 km/h vorwärts. Der DuoDiscus und die Klappenlibelle von Ernst fallen hier etwas zurück, der Abstand zur CF wird dagegen nicht geringer, die CF fliegt zu diesem Zeitpunkt wie auch während des gesamten restlichen Tages ausgesprochen konsequent vorwärts.

Kurz vor 14:00 Uhr, fast zeitgleich wendet die D-Masern bei Mauterndorf und die VV bei Begunje, Abstand zur CF 86 km, aber der ist ja auch 40 km weiter geflogen, also hat ihm die ASW 22 fast nichts abnehmen können. Bertl und Arne haben noch einige Kilometer zu ihrer ersten Wende, dem Wurzenpass. Um 20 Minuten nach 2 Uhr treffen sich ASW22 und DuoDiscus am Wurzenpass allerdings in unterschiedlichen Höhen. Die Optik nach Westen ist nicht ganz so vielversprechend wie erhofft, trotzdem bleibt der Ring auf 2,0 m stehen. Hans Fitterer hat sich bald entschieden, die Karnischen zu verlassen und in den Gailtalern weiter nach Westen zu fliegen. Die gleiche Entscheidung, natürlich ohne von einander zu wissen, treffen auch die VV und wenig später die ACM.

Der Flug entlang der Lienzer Dolomiten bringt die VV etwas ins Stocken, kein wirklich guter Bart ist hier zu finden, aber es reicht immer um gerade so über den Graten zu bleiben, die Vorsicht bewegt mich, den Ring auf 1,5 m zurückzudrehen. Nach einigem Gemurkse in einem schlechten Bart bei Sillian am Westende der Lienzer Dolomiten schließlich die "tapfere" Entscheidung hinüberzuspringen auf die Nordseite, hier hat Hans Fitterer einige Kilometer Vorsprung hinzugewonnen. Das Pustertal muss jetzt die verlorene Zeit wieder hergeben und prompt bringt der erste Bart ein durchschnittliches Steigen von weit über 3 m/s und endet erst in 4400 m Höhe, damit lässt sich jetzt echt was anfangen.

Also vorwärts Genossen! Angelangt am Gitsch bei Franzensfeste schaut das Wetter auf der geplanten Strecke ins Vinschgau nicht sehr einladend aus, die CF ist da ohne zögern einfach durchgeflogen und findet im Vinschgau gute Bedingungen vor.

Ich fliege sehr zögernd in die weit herabhängenden Wolken rund um das Sarntal. Während die CF 90 km voraus bereits an der 2. Wende angelangt ist, Ernst mit der D-Masern quer durch die Ötztaler fliegt und Bertl und Arne weiter nördlich ebenfalls den direkten Weg durch die Ötztaler anstreben, verlässt mich innerhalb kurzer Zeit der Mut, die sichtbare Abschirmung im Westen und die schlechte Optik Richtung Vinschgau bringt mich zu der Überzeugung, dass es besser ist, den Flug abzubrechen.

Gott sei Dank teile ich das über Funk meinen Freunden mit, während ich schon wieder auf dem Weg nach Norden Richtung Heimat bin, lässt sich zum einen Ernst hören, der meint: "Ja aber ab Nauders sieht es ja wieder ganz gut aus, die Abschirmung ist weg und es geht wieder besser!" zum anderen sagt Arne den entscheidenden Satz um meinen Entschluss zu revidieren, nämlich: "Nach Westen sieht das nicht so schlecht aus und der Tag ist doch noch lang!?!

Tatsächlich es ist "erst" 1/2 5 Uhr und "nur noch" 300 km zu fliegen. Also links um, über das Timmelsjoch in das Ötztal, weiter ins Pitztal dort müssen bange Momente überstanden werden, ehe sich der rettende Bart findet, der den Umweg nach Norden minimiert. Tatsächlich ist dann im Kaunertal und weiter westlich die Wetterentwicklung sehr ermutigend. Inzwischen ist es 5 Uhr und Ernst hat seine zweite Wende umrundet, Bertl und Arne sind jetzt fast 40 km voraus aber dieses Mal lasse ich mich durch die Uhr nicht abschrecken. Wenn wir etwas gelernt haben aus den Flügen der Königsdorfer und Geitauer Recken, dann die Erkenntnis, dass wir im Westen immer viel zu früh umgedreht haben in den letzten Jahren, also allen Mut zusammen genommen und weiter!

tl_files/images/2006-06-15-2.jpgUm 20 Minuten vor 6 Uhr, kurz vor Samedan, konnte man einer Meldung von ACM entnehmen, dass sich die Crew am Muottas Muragl in 2000 m befände. Ich beschließe das als Hörfehler abzuhaken, denn das wäre ja in etwa Platzrundenhöhe für Samedan (ELEV 1780 m). Später bei der abendlichen Analyse erzählt Bertl dann, dass es tatsächlich gestimmt hatte. Bei einem Windenstart aus Samedan käme man auch nicht niedriger am Haushang der Schweizer Segelflieger an.

Dieser Absaufer kostet die ACM satte 40 km, die VV ist wieder gleich auf und sogar ein bisschen höher. Vom Muottas Muragl zum Julier sind es dann schon noch ein paar Kilometer und es ist mittlerweile fast 6 Uhr abends. Also McCready zurück auf 1 m und vorsichtiges Herantasten an die 2. Wende. Keine schlechte Entscheidung, Arne hatte zur Umrundung seiner etwas nördlich gelegenen Wende noch ein wenig zu kämpfen, während die "Prinzessin" nach der Umrundung einfach wieder zurück Richtung Samedan gleitet.

Wo war die CF inzwischen? Sagenhafte 186 km voraus, das zögerliches Getue in den Sarntalern hatte mich also etwa 100 km Strecke gekostet im Vergleich zu Hans Fitterer. Das gibt Hoffnung für möglicherweise noch größere Strecken aus der Greilinger Winde, vorausgesetzt man vermeidet die Fehler dieses Fluges. Zurück zum Flug, Ernst Hohmann ist inzwischen schon fast zuhause, während sich der Duo weiter nördlich durch das Vorderrheintal nach Osten zurückkämpft, fliege ich auf der Südseite des Unterengadin zur Piz Lischana, dort steht abends immer noch kräftige Thermik aber was heisst schon abends, nach 5 Uhr nachmittags war ich da noch nie, würde es dort um 3/4 7 Uhr immer noch gehen? Tatsächlich hebt mich abends um 10 Minuten vor 7 Uhr ein ruhiger 3 m Bart auf knapp 4500 m - Endanflughöhe plus 700 m - ! und das 150 km vom Heimatflugplatz entfernt.

Im Hochgefühl, die Strecke bereits jetzt geschafft zu haben, genieße ich die folgenden 70 Minuten Geradeausflug ganz besonders. Natürlich folgt man auch mit solch guter Höhenreserve den tragenden Linien der Berge und fliegt nicht gedankenlos Kurs Heimat, aber der Stress ist abgefallen, die abendliche Ruhe wird mir immer unvergesslich bleiben. Majestätisch ziehen die Ötztaler im Süden vorbei, zwischen Wetterstein und Karwendel hindurch immer weiter Richtung Heimat, schließlich noch ein rasanter Endanflug um die verbliebene Reserve in Geschwindigkeit umzusetzen, um Punkt 8 Uhr abends legt die VV nach einer sauberen Landung die Fläche ab, nach über 800 km über den Bergen von Österreich, Slowenien, Italien, der Schweiz und Deutschland.

5 Länder besucht an einem langen Nachmittag, das geht nur im Segelflug, mit dem Auto wäre man da sicher 3 Tage unterwegs und mit den meisten Motorflugzeugen müsste man mindestens einmal nachtanken, gibt es ein schöneres Hobby?

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800 km FAI am 15.06. 2006

Nachtrag: Ja etwas schöneres gibt es noch, nämlich dass der Pilot leichtsinnigerweise versprochen hat, dass er ein Spanferkel spendieren würde, wenn ihm denn je ein solches Dreieck gelingen würde. Dieses Versprechen wurde selbstverständlich eingehalten, im Herbst 2006 wurde es gebraten und verspeist, das Spanferkel natürlich, nicht das Versprechen :-)

Und ein weiteres Versprechen stelle ich hier auch noch ein, sollte ich der erste sein, der ein 900 km FAI Dreieck oder ein 1000km Jojo von Greiling aus schaffen, dann spendiere ich noch mal eine Sau am Spieß!