Einmal (fast) nach Wien und zurück

tl_files/images/as.jpgSonntag, 30. Juni 2002

Der Tag verspricht einiges, der Segelflugwetterbericht ist zwar nicht ganz so optimistisch wie ich, aber das will ja nichts heißen. Ich schreibe 800 km auf, mit Wenden am Schneeberg (!) und am Venetberg.

Seit vielen Jahren bin ich nicht mehr so weit nach Osten geflogen, wie ich es für heute geplant habe. Das Gebiet um die Eisenerzer Alpen ist mir nur noch bruchstückhaft in Erinnerung, jedenfalls weiß ich, dass die Außenlandemöglichkeiten dort alles andere als gut sind.

Der Start verläuft nicht ganz problemlos, um 1020 Uhr in der Luft muss ich lange kämpfen, um oben bleiben zu können. Der erste Versuch zum Vorberg scheitert, wieder am Platz kurbele ich mühsam aus "Ameisenkniehöhe" mit einem knappen Meter Steigen auf 1350 m.

Das reicht gerade so um auf die Südseite des Vorbergs fliegen zu können, dort dauert es noch einmal eine gute Viertelstunde bis endlich 1800 m erreicht sind. Auf Samtpfoten schleicht sich die VV Richtung Risserkogel um dort endlich auf 2200 m zu klettern. Eine Stunde ist seit dem Start vergangen, Schnittgeschwindigkeit 22 km/h, das wird schwer werden, mit den erhofften 800 Kilometern. Am Sonnwendjoch zeigt das Vario erstmals Werte über Zwei Meter pro Sekunde an. Die Basis ist immer noch ziemlich niedrig, jedenfalls reichen die knapp 2300 m um vorsichtig zum Wilden Kaiser weiterzufliegen. Die immens guten Gleitleistungen der ASW22 verleihen mir die nötige Sicherheit um die Sollfahrt langsam auf normale Werte hochzustellen.

Der Wilde Kaiser trägt zwar ganz gut, aber der Hammerbart zeigt sich nicht und so gleite ich etwas wagemutig einfach weiter Richtung St. Johann. Dort sind die Berge Gott sei Dank deutlich niedriger, so dass ich in 1700 m wieder anfangen kann Höhe zu machen. Doch was heißt hier schon Höhe, immer noch unter 2000 m fliege ich zögerlich weiter zum Spielberg und endlich bei Saalbach finde ich einen 2,5 Meter Bart, der mich auf 2450 m anhebt. Die zweite Stunde ist vorbei, Schnittgeschwindigkeit jetzt immerhin 47 km/h.

Mit Sollfahrt 0,5 m/s fliege ich geradewegs Richtung Dientener Berge und habe bei der niedrigen Fahrt viel Gelegenheit die Aussicht auf das Steinerne Meer im Norden und den Zeller See im Süden zu genießen. Es ist mir natürlich jetzt schon klar, dass die geplante Strecke keinesfalls zu schaffen sein wird. Trotzdem gebe ich nicht auf. Ich will wenigstens um die erste Wende fliegen, obwohl auch dafür der Zeitplan schon eng wird, der Schneeberg liegt immerhin 315 km Luftlinie von Greiling entfernt. Mit den üblichen Umwegen müssen schon etwa 670 km bewältigt werden, um wieder zuhause anzukommen.

Von den Dientenern gleite ich hinüber zu den Niederen Tauern. Dort geht es leidlich vorwärts bis zum Hauser Kaibling, südlich von Haus im Ennstal und dort endlich erwartet mich eine "Granate", mit knapp 3 Metern geht es hoch bis auf 3100 m und endlich kann der Ring hochgedreht werden. Drei Stunden sind vorbei, der Schnitt jetzt 60 km/h. Die VV gleitet jetzt im Mittel mit etwa 140 km/h ohne noch einmal zu kreisen an Niederöblarn und Trieben vorbei. Eingedenk meiner Erinnerungen an die mangelnden Aussenlandegelegenheiten rund um Hieflau entscheide ich mich, auf der Südseite der Rottenmanntauern zu bleiben, um im Notfall nach Trieben oder Timmersdorf abgleiten zu können. Der Umweg ist nicht sehr bedeutend und es fliegt sich doch leichter mit zwei Flugplätzen in Reichweite.

Nördlich am Gösseck vorbei gelingt der Einstieg in den Hochschwab nur mittelprächtig, jetzt ist aber Lanzen-Thurnau schon in Reichweite und so gleitet die ASW22 mal unter mal knapp über der Hangkante weiter und weiter bis zur 2000 m hohen Rax. Warum ich diesen Berg an der Nordwestseite anfliege kann ich nicht erklären, es ist auch keine gute Idee, ich muss umdrehen und um den ganzen Bergstock herum auf die Süd- und später auf die Ostseite fliegen. Endlich ist der Schneeberg ist in Sicht. In 2400 m, für die Gegend ganz komfortabel hoch umrunde ich die Wende, nur ganz kurz kann ich den Ausblick in das Wiener Becken genießen. Hier sind tatsächlich einfach die Berge zu Ende und im Funk hört man eigenartige Sprachen, sollte das schon ungarisch sein Zwinkernd ??

Na ja, zuhause kann ich das ja erzählen, die Freunde kennen meinen Hang zu kleinen Aufschneidereien ja zur Genüge und werden sich ihr Teil denken, aber es sind ja wirklich nicht mehr als 20 km bis Wiener Neustadt und bekanntlich beginnt ja knapp hinter Wien schon der Balkan. Viereinhalb Stunden habe ich für die 315 km bis zur Wende gebraucht, der Schnitt ist angestiegen auf 76 km/h. Guten Mutes richte ich den Bug der VV wieder nach Westen, ich bin sicher, dass es nachhause reichen wird.

Querab Thurnau beschließe ich, auf dem Rückweg nördlich von Eisenerz zu bleiben und möglichst direkt zurück zum gewaltigen Grimming bei Niederöblarn zu fliegen. Unterwegs wird mir zwar etwas mulmig, ob der relativ niedrigen Basis, aber Richtung Aigen steigt die Basis deutlich an. Zwischen Admont und Rottenmann treffe ich nicht nur auf den Bart des Tages, der mich mit mehr als 4 m/s auf 2900 m hebt, sondern auch auf die Teilnehmer der österreichischen Staatsmeisterschaft, etwa 15 Flugzeuge kommen mir in allen möglichen Höhen entgegen. Einer von ihnen versucht mich, den Kopf tief in der Karte versteckt, zu rammen. Ich ziehe die Klappen und drücke die ASW22 abrupt nach unten weg. Mit wenig mehr als 5 Metern schießt der Ventus über die VV hinweg. Der Puls rast und ich brauche einige Minuten um wieder normal weiterfliegen zu können.

Um 1620 Uhr, 6 Stunden nach dem mühsamen Start in Greiling passiere ich Aigen, der Schnitt beträgt jetzt etwa 78 km/h, an der Planai trägt mich ein 3,5 Meter Bart bis auf 3500 m. Vom Griessenkareck wähle ich die "Direttissima" zum Hochkönig, der Rest des Fluges ist ein einziger schwelgerischer Landschaftsgenuss. Das Steinerne Meer liefert den abschließenden Bart bis auf 3200 m, der für den Endanflug auf die Heimat schon ausreicht.

Ich wähle den landschaftlich schönsten Weg zurück, gleite südlich an den Loferern vorbei, zwischen dem Wilden und dem Zahmen Kaiser durch das Kaisertal Richtung Bayrischzell. Noch ein bisschen spazierenfliegen zum Blomberg, dann legt die VV nach 8 Stunden und 50 Minuten ihre langen Flächen in das duftende Gras des heimatlichen Fluggeländes. Hat Spass gemacht, dieser letzte grössere Streckenflug des Jahres.

Nächstes Jahr werden die 800 km fallen, davon bin ich überzeugt, wenn man bei derart mittelmäßigen Steigwerten schon nahezu 700 km fliegen kann, dann muss es doch an einem guten Tag auch 100 Kilometer weiter gehen.

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