Wellenflug

tl_files/images/onde3.jpgMerkwürdig, 15 Jahre sind vergangen, in denen ich viele Wellenflüge gemacht habe, ohne jemals über dieses faszinierende Phänomen näher zu berichten. Mein erster Wellenflug begann in Sisteron, in Südfrankreich. Bis dahin hatte ich nur Bücher gelesen, in denen beschrieben wurde, dass es solche Flüge wohl gäbe.

Selbst viele, in den Nordalpen verbrachte Jahre des Segelfluges brachten mir keinerlei solche Erlebnisse nahe. Später verstand ich dann wohl, warum ich solche Flüge in heimischen Gefilden nie erleben durfte.

Beginnen wir im Jahre 1993 in Sisteron.

Wir starteten unseren Urlaub in Lange Haken, das Fluggelände war nur noch auf dem Papier vorhanden, weil mittlerweile der Flughafen München II seinen Flugbetrieb aufgenommen hatte und das Segelfluggelände damit nicht mehr existent war.

Klaus Hofmann und ich erlagen den werbenden Sprüchen von Herby Schultz und Jürgen Berk, die da verhießen, in Südfrankreich sei das Paradies des Wellenfluges und wir sollten uns doch dort mal umsehen. Gesagt, getan, mit dem TWIN-Astir und der ASW 15 des Vereins machten wir uns auf den langen Weg nach Sisteron in Südfrankreich.

Damals war es noch erforderlich, sich spätestens im November des Vorjahres anzumelden, sonst hätte man keine Chance gehabt, dort im Mekka des Wellenfluges aufgenommen zu werden. Heute im Jahre 2009 hat sich das völlig geändert, der Andrang hat deutlich nachgelassen und man kann ohne jegliche Anmeldung einfach dort erscheinen und wird mit offenen Armen aufgenommen. Doch ich wollte ja über das Erlebnis des Wellenfluges berichten.

Also los: Wellen ergeben sich in dieser begnadeten Gegend nahezu täglich. Vorzugsweise natürlich, wenn der Mistral "wütet", das ist der örtlich übliche Wind, der immer dann auftritt, wenn es in Deutschland besonders hässliches Wetter hat. Sprich die übliche Nordwestlage oder Westlage in nördlichen Gefilden, führt in der Provence dazu, dass der Wind, abgelenkt durch die dort vorherrschende Orographie nach rechts schwenkt und mehr oder weniger aus Norden bläst.

Wenn es also in Deutschland regnet und in weiten Teilen Europas ein "Sch...sswetter" herrscht, dann kann man in Südfrankreich ganz prima Segelfliegen, vorausgesetzt man weiß, wie das geht.

Der typische Wellentag beginnt damit, dass man früh am Morgen aufwacht, nicht etwa weil es hell wird, sondern weil der Wind am Wohnmobil rüttelt. War es am Tag vorher noch einigermaßen warm, so ist es jetzt am frühen Morgen wirklich saukalt.

Der Windsack steht waagerecht weg und die generelle Windrichtung am Boden ist zwischen 300° und 360° Grad mit Geschwindigkeiten zwischen 30 und 70 Knoten, das sind im Extremfall bis zu 120 km/h. Natürlich denkt man zunächst an alles mögliche, aber nicht daran bei derartigen Wetterverhältnissen etwa zu fliegen, bis man feststellt, dass die französischen Freunde die Hallentore öffnen und allen Ernstes die Flugzeuge ausräumen.

Wenn solche Wetterbedingungen auftreten, dann ist die Zeit der Wellenflüge in Südfrankreich gekommen.

tl_files/images/lenti02.jpgWie geht das nun, das Wellenfliegen? Nun, zunächst muss es überhaupt Wellen geben, das ist in Südfrankreich überhaupt kein Thema, denn Wellen entwickeln sich dort immer dann, wenn der Wind auch nur annähernd aus Norden kommt.

Wir starten in Sisteron und lassen uns an den nächsten erreichbaren Nordhang schleppen, das ist in der Regel der Gache.

Am Gache treffen wir dann auf Steigwerte von 3 - 5 Metern pro Sekunde, bei heftigem Mistral auf deutlich mehr. Nach dem erreichen der maximal möglichen Höhe, zwischen 1.300 und 1.800 Metern tastet man sich weiter Richtung La Baume.

Der liefert meist nicht mehr als die Höhe, die man am Gache sowieso schon erreicht hatte. Also weiter... nicht direkt zur Lure, wer das nämlich versucht, vom La Baume direkt zur Lure zu fliegen, der wird sich womöglich schneller als gedacht in der Platzrunde von St. Auban wiederfinden. Der sichere Weg zur Lure führt über den Molard, das ist der niedrige Hügel, der sich von Sisteron aus nach Westen erstreckt und in den Roc de l´Aigle übergeht. Dort gibt es eine Pipeline, die von Nord nach Süd über den Hügel führt. Erst dort sollte man nach Süden drehen und in das "Lureeck" fliegen.

Dort angelangt, hebt uns der Hangwind der Lure auf komfortable 1.900 - 2.100 m Höhe. Während des Anstieges kann es zu kleinen Unterbrechungen kommen, weil die vorgelagerten Hügel des Sumiou und des Pellegrine für kleine Rückgänge im Steigen sorgen. Letztendlich aber wird man an der Lure eine Höhe von 2100 m, manchmal sogar mehr erreichen.

Mit dieser Höhe kann man nun zweierlei machen. Entweder man ist "mutig" und stürzt sich ins Lee der Lure, das kann klappen, dann findet man sich in der Lurewelle wieder und steigt dort bis auf maximal 2.400 m, darüber erstreckt sich das Sperrgebiet der "Force de Frappe", also der französischen atomwaffengestützten Militärmacht, in das man keinesfalls einfliegen darf.

Die zweite Möglichkeit ist die sicherere, man fliegt nach Norden in das Jabrontal. Die Chance dort auf eine Welle zu treffen ist hoch, deshalb wählen wohl 99% der Piloten diesen Weg. Wer die Welle nicht sofort findet, kehrt zurück zur Lure, holt sich wieder etwas Höhe und startet den nächsten Versuch.

In Flugfläche 75 fliegt man wieder vorwärts nach Norden, über den Roc de l´Aigle und in das darauf folgenden Val Méouge. Dort steht in der Regel ein starker Rotor, die Franzosen warnen davor, er sei très, très méchant, was soviel wie "sehr gewalttätig" heißen soll. Im Normalfall reicht aber die erzielte Höhe in der Jabronwelle aus um direkt bis zum Chabre zu gleiten. Der Chabre ist ein Traumberg für die Wellenflieger, er hat eine ganz klar ausgerichtete Kante von Ost nach West und, er "geht" immer bei Nord- bis Nordwestwind.

Von dort aus begibt man sich weiter nach Norden, bis man, östlich des Rochés de Beaumont noch mal in eine Welle fällt, oder bis man an der Arambre, dem Hausberg des Flugplatzes von Serres sich wieder im Hangflug findet. Meist findet sich aber etwas westlich der Arambre ein Welleinstieg, wenn nicht, geht es direkt weiter in die Welle von Aspres. Sie ist meist leicht zu finden, direkt über dem Flugplatz von Aspres, entscheidend ist die Ausgangshöhe, wer in 1.900 m oder darunter ankommt, der hat schlechte Papiere, wer dagegen in 2.200 m oder noch höher dort ankommt, der hat glänzende Aussichten auf kräftiges laminares Steigen bis weit über 5.000 m.

tl_files/images/lfns403.jpgDerart hoch kann dann ohne große Bedenken direkt zum Pic De Bure geflogen werden, der Mutter aller Wellen. Auf dem Weg dorthin kann es zu robusten Turbulenzen kommen, es kann aber auch völlig glatt, sozusagen wie "geschmiert" direkt in das laminare Steigen gehen.

Die Pic de Bure Welle geht nicht selten auf mehr als 6.000 m, Selbstverständlich brechen alle Piloten ihren Steigflug spätestens in FL 195 ab, denn darüber beginnt der Luftraum, der den Verkehrsfliegern alleine vorbehalten ist. Die Frage ist dann, wohin mit dieser grandiosen Höhe, aus der man nicht selten auf der einen Seite bis zum Mont Blanc sehen kann, während im Süden die Küstenlinie des Mittelmeeres zu erkennen ist.

Hier über dem Pic de Bure endet für die noch unerfahrenen Wellenflieger der Tag. Nach dem abgleiten dieser gewaltigen Höhe landet man wieder, durchgefroren aber glücklich in Sisteron oder begibt sich noch mal auf die Rundreise um das Durancetal, Gache - Lure - Chabre - Aspres - Pic de Bure.

Für die erfahrenen Cracks beginnt jetzt erst das Abenteuer, der Streckenflug in den Wellensystemen Richtung Nordosten. Erst im Jahr 2009 gelang es mir selbst, eine tragende Linie zu finden bis nach Briancon. Der Anschluss an die Wellen im Susatal oder auch nördlicher am Lac Mont Cenis ist an guten Tagen durch Rotorfetzen und manchmal auch durch prächtige Lenticularis gezeichnet. Häufig aber geht es aber erst mal abwärts, schnell sind da 2.000 m verbraten und die hohen Felswände der Ecrins wachsen links und rechts furchterregend schnell hoch.

Langsam wird es dann doch ungemütlich kalt, und mehr als 150 km von zuhause weg muss man auch daran denken, dass im März die Sonne noch nicht solange über dem Horizont bleibt, wie später im Jahr. Leicht verkennt man die Lage, wenn man sich fast 6.000 m über dem Meer befindet und noch alle Berge hell erleuchtet werden von der schon tiefstehenden Sonne, während in den Tälern die Autos schon mit Licht fahren.

4 oder 5.000 m abzugleiten in Richtung Heimat, das dauert dann doch erstaunlich lange, bis zu 3 Stunden kann man da Höhe abgleiten, je nach Güte des Flugzeugs. Da heißt es durchaus kalkulieren, wann man den Bug wieder Richtung Heimat wendet.

Wer einen solchen Flug nachempfinden will, der kann gerne die folgende IGC Datei herunterladen und mit einem Streckenfugprogramm, wie z.B. StrePla oder SeeYou ablaufen lassen. Besonders interessant ist es solche Flüge mit Google Earth anzuschauen, es sind atemberaubende Bilder zu sehen, dazu benötigt man ein Programm, das man auf der folgenden Seite herunterladen kann: IGC Flight Replay

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Flug vom 26.03.2009